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Wie die "Rheinische Post" ihre Printseiten dank KI schneller baut

  • 22.05.2025

Die Rheinische Post spart mit der Print-Automatisierung durch InterRed SmartPaper täglich rund 25 Minuten pro Seite – bei über 120 Seiten für 19 Lokalausgaben ein enormer Effizienzgewinn. Wie das gelingt, zeigt ein Artikel von kress pro. Mit freundlicher Genehmigung des Fachmagazins veröffentlichen wir hier den vollständigen Beitrag aus Ausgabe 4/2025.

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Produktionsprofis bei der RP: Sebastian Brinkmann (Director Publishing Services, l.), Martina Stöcker (stellvertretende Chefredakteurin) und Moritz Stanarius (leitender Regionalredakteur). Highlight-Seiten werden auch künftig "von Menschen gebaut", so Stöcker. © Rheinische Post

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Die Tageszeitung lässt ihr Layout maschinell erstellen. Das spart viel Zeit und macht die Printproduktion effizienter. Worauf es bei der Umsetzung ankommt und wie man die Redaktion für die Umstellung gewinnt.

Über die Frage, wie sich die Produktion der gedruckten Zeitung vereinfachen und beschleunigen lässt, haben die Macher der „Rheinischen Post“ (RP) schon länger nachgedacht. Vor rund zwei Jahren tauschten sie sich erstmals intensiver mit ihrem Dienstleister InterRed aus, dessen Redaktionssystem bei der RP im Einsatz ist. Mit Hilfe von KI-gestützter Technologie wird es nun möglich, aus digital vorliegendem Inhalt automatische Layouts auf Basis von Musterseiten für Printausgaben zu erstellen. Im Oktober 2024 startete mit der Ausgabe für Krefeld-Kempen das Pilotprojekt, bis Mitte Mai wurden 19 von 24 Lokalausgaben auf das neue System umgestellt. Täglich werden damit durchschnittlich rund 120 Seiten produziert. Sechs Fragen und Antworten zur Umstellung:

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1| Warum hat die RP das Layout automatisiert?

Bei der Printproduktion fällt ein bedeutender Teil des Arbeitsaufwands im Layout an, weshalb ein zeit- und kostenreduzierender Einsatz von entsprechenden KI-Anwendungen für Publisher besonders interessant erscheint. Durch den geübten Einsatz von Layout per Knopfdruck lässt sich Zeit sparen, ohne Qualität einzubüßen. Das ist der Anspruch:

„Wir wollen weiterhin ein hochwertiges, optisch ansprechendes und fehlerfreies Produkt anbieten“, sagt Martina Stöcker, stellvertretende Chefredakteurin der „Rheinischen Post“.

Besonders gestaltete Highlight-Seiten bleiben für spezielle Anlässe möglich. „Diese Seiten wird es auch künftig geben – von Menschen gebaut“, so Stöcker.

2| Was leistet die KI-gestützte Seitenproduktion?

Die RP arbeitet mit dem Redaktionssystem von InterRed und nutzt nun deren weiterentwickeltes System: Via „InterRed SmartPaper“ erfolgen die Auswahl von Inhalten und die Gestaltung der Seiten voll automatisiert auf Basis von derzeit über 200 definierten Musterseiten für die lokalen Ausgaben der „Rheinischen Post“.

Wichtig zu wissen: Die RP arbeitet seit 2020 nach dem Prinzip „Digital first“, das heißt: Jeder Artikel wird kanalunabhängig gedacht und aufbereitet, um dann am Digital- und Print-Desk bearbeitet zu werden. Damit einher geht die mittlerweile in der Zeitungsbranche typische Trennung in Autoren (Reporter) und Blattmacher (Editoren).

Auf den ersten Blick hat sich am browserbasierten Redaktionssystem nicht viel geändert, „es sind nur einige Buttons hinzugekommen“, wie Sebastian Brinkmann, Director Publishing Services, schmunzelnd ergänzt. Nutzer müssen keine Prompts eingeben, sondern bedienen das Programm-Menü. Die Autoren-Teams geben ihren Texten Prioritäten und bestimmen zum Beispiel, welche Fotos erscheinen müssen oder können. „Die Editoren überprüfen für jede einzelne Seite die Planung und das vom Programm ausgewählte Layout“, erklärt Moritz Stanarius, leitender Regionalredakteur Printproduktion. Um die Platzierung von Texten, Bildern und sonstigen Elementen kümmert sich die Software nach hinterlegten Regeln selbstständig.

3| Wie funktioniert das automatisierte Layout?

Das bestehende Printlayout hat sich nicht verändert. Auch in der „SmartPaper“-Anwendung wird auf ästhetische Prinzipien, intuitive Anordnung, Lesbarkeit und visuellen Fluss geachtet. Das System verarbeitet die eingespielten Dateien (Texte, Fotos, Grafiken) innerhalb von wenigen Minuten und liefert dann einen Layout-Vorschlag.

Die aus den Onlineversionen („Digital first“) übernommenen Headlines, Vorspänne, Bildunterzeilen werden KI-unterstützt angepasst. Entstehen Über- oder Unterlängen von Texten, liegen zu viele oder zu wenige Fotos vor, passen vorgesehene Zitate oder Infokästen nicht – wird auch das von der KI automatisch erledigt.

Allerdings wird die Anwendung im besten Fall zur virtuellen Kollegin, aber nicht zur Chefin. „Am Ende bestimmen die Editoren, wie eine Seite aussieht und in den Druck geht“, betont Moritz Stanarius.

Jeder durch die KI erfolgte Eingriff, sei es eine geänderte Überschrift oder ein gekürzter Text, wird angezeigt und von der Redaktion bestätigt oder verworfen, ähnlich wie im Korrekturmodus in Textprogrammen. Darauf legt man bei der RP größten Wert und hat sich entsprechende KI-Richtlinien gegeben.

„Am Ende trifft immer ein Mensch die Entscheidung“, sagt Martina Stöcker.

4| Worauf kommt es bei der Einführung an?

Sebastian Brinkmann, der bei der RP volontiert hat und später das Redaktionssystem an maßgeblicher Stelle mit eingeführt hat, betont: „Oft gesagt, stimmt aber immer wieder: Man muss bei solchen Prozessen die Leute mitnehmen und Pläne und Vorgehensweise transparent machen.“ So wurden die betroffenen Kolleginnen und Kollegen früh über die anstehenden Veränderungen informiert.

Vorteilhaft sei gewesen, dass die Leute am Desk schon mit „SmartTemplate“, einer Vorgänger-Version von „SmartPaper“, die vor allem Textübersatz und -untersatz automatisch ausgleicht, gearbeitet hatten. „Daher stand die Redaktion dem nächsten Schritt recht positiv gegenüber. In der Erwartung, dass die Maschine uns die Arbeit leichter macht“, so Stanarius.

Editoren und Reporter – sie sind von der Umstellung im Arbeitsalltag weniger betroffen – wurden gruppenweise mit den neuen Arbeitsabläufen vertraut gemacht. Reporter wurden gebrieft, was sie bei der Planung im Content-Koordinationstool Kordiam beachten müssen, Editoren bekamen eine technische Einweisung.

„Das war kein großer Aufwand. Jeder Editor wurde in vielleicht zwei Stunden, jeweils in kleinen Gruppen geschult“, berichtet Moritz Stanarius.

Wichtiger und wirkungsvoller war etwas anderes, wie Sebastian Brinkmann ausführt: „Es gibt immer Kolleginnen und Kollegen, die sich besonders für eine Innovation oder ein Projekt interessieren. Sie binden wir früh in die Prozesse ein und bauen Kompetenz auf. Diese ‚Key User‘ geben ihre Expertise intern weiter und so verbreitet sich das nötige Wissen schnell und praxisnah.“

5| Welche Besonderheiten sind zu beachten?

Aus redaktioneller Sicht sei es gerade für eine regionale Zeitung wichtig, auf die Eigenheiten der einzelnen Kommunen einzugehen. Entsprechend unterscheiden sich Schwerpunkte, bevorzugte Textformate und Themenfülle in den jeweiligen Lokalausgaben.

„Deshalb müssen wir die Seiten variabel gestalten können“, betont Martina Stöcker.

Die KI sei gut trainiert darauf, weniger und größere Storys auf einer Seite ansprechend zu layouten, ergänzt ihr Kollege Stanarius. „Aber je kleinteiliger die Elemente, desto anspruchsvoller wird es für die KI.“ Auch die Meldungsspalten, auf die die RP im Lokalen nicht verzichten mag, erweisen sich mitunter als etwas komplizierter für den Layout-Automaten. (Anmerkung InterRed: neues Feature "Print-Meldungen"). Die Integration der Technik habe gut geklappt, sagt Sebastian Brinkmann, „aber natürlich läuft nicht alles gleich perfekt“. Deshalb braucht es resiliente Mitarbeiter, die aus kleinen keine großen Probleme machen.

„Dann darf man nicht in alte Muster zurückfallen, sondern muss bereit sein, sich mit den Feinheiten und Verbesserungen des Neuen zu befassen“, so Brinkmann. Dieser „Change in den Köpfen“ gelingt umso besser, je überzeugter Mitarbeiter von der neuen Anwendung sind.

Das klappt gut, findet Moritz Stanarius: „Das neue System macht die Arbeit für die Editoren leichter und schneller.“

Laut eigener Schätzung haben sie im früheren Modus, also mit händischer Gestaltung, im Durchschnitt etwa 40 Minuten für eine layoutete Lokalseite gebraucht – jetzt seien es rund 15 Minuten.

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Was bei solchen Projekten gerne verkannt wird: dass Technik und Redaktion unterschiedliche Blickwinkel und verschiedene Befindlichkeiten haben. „Für uns war von vornherein klar, dass sich beide Bereiche eng verzahnen wollen“, sagt Sebastian Brinkmann. Er ist zuständig für alles Technische, Moritz Stanarius fürs Redaktionelle. Die beiden Projektmanager tauschen sich oft und regelmäßig aus, um keine wichtigen Details zu übersehen oder Probleme direkt anzugehen. Ein Beispiel: Softwarespezialisten fanden es unnötig, noch unfertige Seiten zu zeigen, während die Redaktion darauf beharrte, permanent den Status quo abrufen zu können, um etwa frühzeitig Fehler zu korrigieren oder das Layout umzubauen.

6| Wie fällt das erste Fazit der RP aus?

Auswahl: Für die Entscheidung über ein System sollte man sich Zeit nehmen, viel testen, sich erkundigen, mögliche Probleme bei Umstellung und technischer Integration erkennen.

Kosten: Die Einmal-Investitionen für die KI-gestützte automatisierte Printseitenproduktion dürften sich bei einer großen Mediengruppe wie der RP über alle betreffenden Zeitungen hinweg in knapp siebenstelliger Höhe bewegen. Laufende Kosten fallen an durch die Nutzung der KI-Tools und werden pro Anwendungsabfrage berechnet. Die Investitionen werden sich schätzungsweise in deutlich weniger als zehn Jahren amortisiert haben. (Anmerkung InterRed: neues Lizenzmodell ab 2025 halbiert die Amortisationszeit).

Nutzen: Durch die Umstellung auf KI-basierte Layouts erwartet die RP, auf Dauer rund ein Drittel der Editoren-Stellen einsparen und damit anderweitig Ressourcen für Reporter einsetzen zu können.


Die Learnings der RP

Was beim Wechsel zu einer KI-gestützten Printproduktion wichtig ist.

  • Früh kommunizieren: Es hat sich als erfolgreiche Maßnahme erwiesen, das Team schon in die ersten Stufen des Veränderungsprozesses einzubeziehen und über die anstehenden Pläne zu unterrichten.
  • Strukturen nutzen: Die bekannte und von den Mitarbeitern beherrschte Deskstruktur sowie eine gute Themenplanung haben einen zügigen Start erleichtert.
  • Reaktanzen vermeiden: Technisch notwendige Eingriffe ins Layout blieben ohne Folgen. Die Veränderungen haben laut RP keine negativen Reaktionen in der Leserschaft hervorgerufen.
  • Experten unterstützen: Besser als langatmige, bisweilen ineffektive Schulungen sind interne Experten: Wer sich für neue Technik interessiert, Veränderungen spannend findet und sich ins Projekt einbringen möchte, kann als „Key User“ eingebunden werden und das so aufgebaute Wissen an andere weitergeben.
  • Einfach loslegen: In jedem Projekt gibt es Stolpersteine und kleine Abers – aber mit jedem Rollout stellte sich heraus, dass es doch funktionierte.

Kontakt:

Sebastian Brinkmann, Director Publishing Services, Bereich Informationstechnologie, Rheinische Post Mediengruppe


ROLAND KARLE

ist freier Medienfachjournalist

Fotos: Rheinische Post

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